“Should I stay or should I go?"
Was will die Tante von mir?
Weshalb dein Hund nicht zu dir kommt, wenn deine Füsse in die falsche Richtung zeigen.
Je länger in unserer Familie Hunde leben und je mehr Erfahrungen ich als Verhaltenstrainerin sammle, umso tiefer wird mein Respekt vor dem friedfertigen Wesen unserer Hunde.
Wenn ich an all die widersprüchlichen Botschaften denke, mit denen wir unsere Hunde tagtäglich verwirren, ist es nur der Grossmütigkeit unserer Hunde zu verdanken, dass unsere Nasen in aller Regel heil bleiben. Immerhin sind unsere Hunde mit dem Äquivalent eines durchschnittlichen Schweizer Sackmessers ausgestattet.
Gutgemeint ist nicht immer gutgemacht
Körpersprachliche Fehltritte reichen dabei vom übergriffigen «ich liebe dich so fest, Kuss-Kuss-Kuss-feste-Umarmung-Kopftätschel-patsch-patsch-Bauchklopfer-braver-Kumpel-eyyy-Buddy» bis zum hilflosen und groben «gib mir sofort, aber SOFORT meine Socken zurück, Schnauzengriff-drohendes über den Hund beugen-ins Gesicht starren-ich bin hier immer noch der Chef -im Fall».
Beides ist für den Hund nicht schön. Und in beiden Fällen können die Menschen ihren Hunden dafür dankbar sein, wenn diese sie nur als vertrottelte Ausserirdische einordnen und nicht als ernstzunehmende Bedrohung.
Chili führt den Kopftätschler vor.
Noch Fragen? DANKE CHILI FÜRS AUSHALTEN!
Du bestimmst, wie ihr miteinander umgeht
Dein Umgang mit deinem Hund, und dazu gehören Erziehung, Training und auch Liebkosungen, wirkt sich auf euer gesamtes Zusammenleben aus. Stell dir vor, deine Arbeitskollegin zieht dir dauernd an den Ohren, wenn du konzentriert an einem wichtigen Mail sitzt. Es nervt. Und glaub mir, es nervt auch deinen Hund. Siehe Chili oben.
Das muss aber nicht sein. Schon kleine Veränderungen im Umgang mit deinem Hund haben eine grosse Wirkung auf das gesamte Zusammenleben.
Zuerst mal etwas Selbstreflexion und Körperbeherrschung
Werde dir ab heute deiner Körpersprache im Umgang mit deinem Hund bewusst
Sind deine Bewegungen weich, rund und ruhig oder fahrig, starr und hektisch? Wie oft beugst du dich täglich von vorne-oben über den Hund? Wie oft bedrängst du ihn körperlich? Wie schnell läufst du auf dem Spaziergang? Wie oft scheuchst du ihn von einer Schnüffelstelle weiter? Wie ziehst du ihm das Brustgeschirr an?Verändere es
Setze deine Bewegungen und Berührungen im Umgang mit deinem Hund bewusst ein. (Öööhöööm, Impulskontrolle?!)Beobachte genau
Und jetzt schau genau hin. Wer schon mein neues Trainingstagebuch besitzt, kann dort reinschreiben, wer es noch nicht hat, kann es bei mir bestellen. Was verändert sich? Was fällt auf? Was fällt dir schwer?
Erste konkrete Umsetzung im Training: Deine Füsse
Weil wir nicht alles auf einmal verändern können, beginnen wir mal ganz unten mit unseren Füssen🦶.
Wer mit Hütehunden arbeitet oder Agility macht, weiss um die grosse Bedeutung der eigenen Fussstellung. Unsere Hunde sind detailversessene Bewegungsseher, es spielt also sehr wohl eine Rolle, wie wir uns hinstellen. Zudem fällt es Hunden sehr viel leichter, auf optische Signale zu reagieren als auf akustische.
Erstaunt es dich, dass im Hundesport wie Obedience nur akustische Signale eingesetzt werden dürfen? Dies ist der Grund, warum in den Social Media Filmchen mit den Schäferhunden die Menschen immer wie Bäume dastehen. Tsss. Siehe oben: Grossmütigkeit der Hunde.
1. Deine Füsse beim Rückruf (ich weiss, ist mein Dauerbrenner)
Positioniere dich beim Rückruf immer seitlich, deine Füsse zeigen weg vom Hund, dein Gesicht ist freundlich und offen und dein Blick geht weg vom Hund. Bewege dich einladend ein paar Schritte zurück, sobald er zu dir hinschaut. Auch deine Schultern sind offen und die Hand zeigt in die Richtung, in die dein Hund kommen soll.
Und nun teste auch mal das Gegenteil:
Ruf deinen Hund in frontaler Körperposition, lauf schnell, mir starrem Blick und geschlossenem Mund ein paar Schritte auf ihn zu. Achte auf die feinen Signale deines Hundes. Was verändert sich? Wenn dich dein Hund gut kennt, wird er auch so auf den Rückruf reagieren. Und nur innerlich den Kopf schütteln.
Ich wette jedoch um eine Einzellektion, dass er dabei Beschwichtigungsverhalten zeigen wird und zb kurz stehen bleibt, den Kopf abwendet, langsamer wird, einen Bogen läuft, am Boden schnüffelt.
2. Deine Füsse beim ins Auto einsteigen
Steh zuerst frontal dem Hund gegenüber, mit dem Rücken zum Kofferraum und bitte ihn, ins Auto zu steigen. Wie leicht klappt das?
Und jetzt das Gegenteil. Stelle dich seitlich hin, Füsse, Schultern und Blick zeigen in Richtung Kofferraum. Wie sieht das Bild jetzt aus?
Springt dein Hund nie gerne ins Auto, zögert lange und zeigt Meideverhalten, dann solltest du abklären, ob er Schmerzen im Bewegungsapparat (Rücken, Hüfte, Ellbogen) hat.
3. Deine Füsse in Hundebegegnungen
Dir kommt frontal ein Mensch-Hund-Team entgegen und du bist dir nicht ganz sicher, ob das gut ablaufen wird.
Drehe dich, inkl. deiner Füsse, um 90 Grad ab und zeige so deinem Hund mit deinen Füssen, deinen Schultern und deinem Blick einen Ausweg. Energie folgt der Aufmerksamkeit! Gib deinem Hund genügend Zeit, die Situation auch einzuschätzen, kurz zu schauen und sich mit dir auszurichten und mitzukommen. Dies braucht ein gutes Timing von dir und Übung.
Du wirst damit nicht alle Probleme an der Leine lösen, ein erster wichtig Schritt ist jedoch damit getan.
Die 3-Wochen-Challenge: Schluss mit dem Kopftätschler
Ich kenne keinen einzigen Hund, der es mag, von vorne oben direkt ins Gesicht gefasst zu werden, die Ohren zerzaust und auf den Schädel geklopft zu bekommen. Schon gar nicht von fremden Menschen. Ich kenne aber viele Hunde, die diese Tätschelei täglich x-Mal über sich ergehen lassen.
Beherrsche dich (und deine Mitmenschen) während drei Wochen. Kopftätschler von oben-vorne sind tabu. Wer sich in der Familie nicht daran hält, muss alle anderen zur Pizza einladen und den Teigrand mit dem Hund teilen.
Was verändert sich? Werden die Begrüssungen ruhiger? Wird dein Hund insgesamt entspannter? Kannst du das Brustgeschirr besser anziehen? Kommt er freudiger zu dir hin? Schläft er besser? Ist er bei Besuch entspannter?
Erzähle mir von deinen Erfahrungen, schick mir einen Film zu, stelle Fragen, was auch immer, aber probiere es aus.
Ich wünsche euch viele spannende neue Erfahrungen und euren Hunden ein paar Kopftätschler weniger.